Mittwoch, 6. Juli 2011

Sonderthema: Steve Jobs' 2005 Stanford Commencement Address

Diese Rede von Steve Jobs hat mich sehr beeindruckt und sie passt genau in das Thema dieses Blogs.
Wer Englisch kann, sollte sich die 15 Minuten des Videos mal ansehen.


Hier der Link zum Video: Steve Jobs' 2005 Stanford Commencement Address

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Für alle, die kein Englisch können: Eine Übersetzung des Transcripts gibt es gleich hier.
(Vielen Dank an Roland Kopp-Wichmann)

"Ich fühle mich geehrt, heute mit Euch hier zu sein, bei Eurer Abschlussfeier an einer der besten Universitäten der Welt. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe nie einen Hochschulabschluss gemacht und gerade bin ich näher an einem Hochschulabschluss als je zuvor.

Heute will ich Euch drei Geschichten aus meinem Leben erzählen. Das ist alles. Keine große Sache. Nur drei Geschichten.

Die erste Geschichte handelt vom Verbinden der Punkte.

Ich ging nach sechs Monaten vom Reed College ab, blieb dort aber für etwa achtzehn weitere Monate als Gast, bevor ich wirklich ganz gegangen bin. Aber, warum bin ich ausgeschieden?

Es begann noch bevor ich geboren wurde. Meine leibliche Mutter war eine junge, unverheiratete Universitätsabsolventin und sie entschied sich, mich zur Adoption frei zu geben. Sie war sehr davon überzeugt, dass ich von Leuten mit einem Universitätsabschluss adoptiert werden sollte.

So wurde alles dafür arrangiert, dass ich bei der Geburt von einem Anwalt und seiner Frau adoptiert werden würde. Doch genau als ich auf die Welt kam, entschieden sie sich in letzter Minute, dass sie lieber ein Mädchen hätten. So wurden meine Eltern, die auf der Warteliste standen, mitten in der Nacht angerufen und gefragt: „Wir haben hier eine unerwartete Geburt eines Jungen. Wollen sie ihn?“ Sie sagten: „Natürlich.“

Meine leibliche Mutter fand später heraus, dass meine Mutter nie eine Universität absolviert und mein Vater nie die High-School abgeschlossen hatte. Sie weigerte sich, die Adaptionspapiere zu unterschreiben und war erst einige Monate später damit einverstanden, als meine Eltern versprochen hatten, dass ich irgendwann zur Universität gehen würde.

Das war der Beginn meines Lebens.

Und so ging ich 17 Jahre später auf die Hochschule. Aber naiv, wie ich war, habe ich ein College ausgesucht, das fast so teuer war wie Stanford und alle Ersparnisse meiner Eltern aus der Arbeiterklasse wurden für meine Universitätsgebühren ausgegeben. Nach sechs Monaten konnte ich den Wert darin nicht mehr sehen.

Ich hatte keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen wollte und keine Ahnung wie die Universität mich darin unterstützen würde, dieses herauszufinden. Und hier stand ich nun und hatte das ganze Geld ausgegeben, dass meine Eltern in ihren Leben gespart hatten.

So entschied ich mich die Schule zu verlassen und darauf zu vertrauen, dass alles gut gehen würde. Das war ziemlich beängstigend damals, aber zurückblickend war es eine der besten Entscheidungen, die ich je gemacht habe. Von der Minute, als ich ausschied, konnte ich aufhören, die Pflichtkurse zu besuchen, die mich nicht interessierten und mit denen zu beginnen, die mir interessant erschienen.

Es war nicht alles Sonnenschein. Ich hatte keinen Schlafraum und so schlief ich auf dem Boden im Zimmer eines Freundes. Ich gab Colaflaschen für fünf Cent Pfand ab, um mir Essen zu kaufen und ich ging jede Sonntagnacht die sieben Meilen durch die Stadt für eine gute Mahlzeit in der Woche am Hare Krishna Temple.

Ich liebte es. Und vieles von dem, in das ich hinein stolperte, indem ich meiner Neugier und meiner Intuition folge, zeigte sich später als unbezahlbar.

Ein Beispiel.
Das Reed College bot zu jener Zeit eine der besten Kalligraphie-Kurse im Land an. Quer durch den Campus war jedes Poster, jedes Schild wunderschön von Hand mit kalligraphischer Schrift versehen. Weil ich ausgeschieden war und keine regulären Kurse besuchen musste, entschied ich mich für einen Kalligraphie-Kurs, um zu lernen, wie man das macht.

Ich lernte alles über Serifen– und San Serifen-Schriftarten, über den unterschiedlichen Abstand zwischen den verschiedenen Kombinationen von Buchstaben; eben über all das, was großartige Typografie großartig macht. Es war wunderschön, geschichtlich, künstlerisch ausgetüftelt, in einer Art und Weise, wie sie Wissenschaft nicht einfangen kann und ich fand es faszinierend.

Nichts von alle dem hatte auch nur den Hoffnungsschimmer einer praktischen Anwendung in meinem Leben. Aber zehn Jahre später, als wir den ersten Macintosh-Computer entworfen haben, kam das alles zu mir zurück.

Und wir bauten alles in den Mac ein. Es war der erste Computer mit wunderschöner Typografie. Wenn ich niemals diesen Kurs im College besucht hätte, hätte der Mac niemals verschiedene Schriftarten oder Proportionalschrift gehabt. Und da Windows einfach den Mac kopierte, ist es wahrscheinlich, dass kein PC sie bekommen hätte. Wäre ich niemals ausgeschieden, wäre ich niemals in diesen Kalligraphie-Kurs gegangen und PC’s würden nicht die wunderschönen Schriftarten haben, die sie haben.

Natürlich war es nicht möglich, in die Zukunft blickend diese Punkte miteinander zu verbinden, während ich noch an der Universität war. Aber es war sehr sehr klar, als ich zehn Jahre später zurückblickte.

Du kannst die Punkte nicht verbinden, wenn Du nach vorne blickst. Du kannst die Punkte nur verbinden, wenn Du zurück blickst. So musst Du daran glauben, dass sich die Punkte irgendwie in der Zukunft verbinden werden.

Du musst an etwas glauben – Deinen Bauch, Schicksal, Leben, Karma oder was auch immer. Denn daran zu glauben, dass am Ende sich die Punkte verbinden werden, gibt Dir die Zuversicht Deinem Herzen zu folgen. Auch wenn es Dich vom wohl ausgetretenen Pfad wegführt – und das macht den ganzen Unterschied.

Meine zweite Geschichte ist über Liebe und Verlust

Ich hatte Glück. Ich fand ziemlich früh im Leben, was ich geliebt habe. Woz und ich starten Apple in der Garage meiner Eltern als ich 20 war. Wir arbeiteten hart und in zehn Jahren wuchs Apple von uns beiden in der Garage zu einem zwei Milliarden Dollar Unternehmen mit mehr als 4000 Mitarbeitern heran.

Wir hatten gerade unser bestes Produkt geschaffen, den Macintosh, ein Jahr bevor ich 30 wurde. Und, dann wurde ich gefeuert. Wie kann jemand gefeuert werden, von dem Unternehmen, das er gegründet hatte?

Nun, als Apple wuchs, stellten wir jemanden ein, von dem ich glaubte, er wäre sehr talentiert darin, das Unternehmen mit mir zu führen. Für das erste Jahr liefen die Dinge gut. Aber als unsere Visionen für die Zukunft begannen sich zu unterscheiden, kam es zu einer Auseinandersetzung.

Während wir diese hatten, war die Chefetage auf seiner Seite. Und so war ich mit 30 draußen. Und sogar ziemlich öffentlich raus geworfen. Das, was mein einziges Ziel meines erwachsenen Lebens war, war nun vorbei und verwüstet.

Ich war ein ziemlich öffentlicher Versager und ich überlegte sogar aus der Gegend weg zu ziehen. Aber etwas begann langsam in mir zu dämmern — ich liebte immer noch, das was ich tat. Der Verlauf mit Apple hatte das kein bisschen verändert. Ich war gefeuert aber meine Leidenschaft war immer noch da. Und so entschied ich mich von Neuem zu beginnen.

Ich hatte es damals nicht gesehen, aber es stellte sich heraus, dass von Apple gefeuert zu werden, war das Beste, was mir je passieren konnte.

Der Druck erfolgreich zu sein, war ersetzt worden, von der Leichtigkeit wieder ein Anfänger zu sein, weniger sicher in allem.

Es befreite mich, um eine der kreativsten Phasen in meinem Leben zu beginnen. Während der nächsten fünf Jahre startete ich eine Firma namens NeXT, eine andere Firma namens Pixar und verliebte mich in eine wundervolle Frau, die meine Frau werden wollte.

Pixar entwickelte den ersten computeranimierten Film der Welt, Toy Story, und ist jetzt das erfolgreichste Animationsstudio der Welt. In einer bemerkenswerten Wendung der Dinge, kaufte Apple NeXT und ich war zurück bei Apple und die Technologie, die wir bei NeXT entwickelt haben, ist nun das Herz von Apples gegenwärtiger Renaissance. Und Laurene und ich haben eine wundervolle Familie zusammen.

Ich bin mir ziemlich sicher, nichts von dem wäre jemals geschehen, wenn ich nicht bei Apple gefeuert worden wäre. Es war bitter schmeckende Medizin, aber ich schätze, der Patient brauchte sie.

Manchmal trifft Dich das Leben mit einem Ziegelstein auf den Kopf. Verliere nicht Deinen Glauben.

Ich bin überzeugt, dass das einzige, was mich weitermachen ließ, war, dass ich geliebt habe, was ich tat. Ihr müsst finden, was ihr liebt. Und das ist genauso wahr in Bezug auf Eure Arbeit als auch für Eure Liebespartner.

Eure Arbeit wird einen großen Teil Eures Lebens ausfüllen und der einzige Weg, wirklich erfüllt zu sein, ist das zu tun, wovon Ihr glaubt, dass es eine großartige Arbeit sei. Und der einzige Weg, großartige Arbeit zu tun, ist zu lieben, was ihr tut.

Wenn Ihr es bis jetzt nicht gefunden habt, sucht weiter und bleibt nicht stehen. Und wie es mit allen Herzensangelegenheiten ist, Ihr werdet es wissen, wenn Ihr es gefunden habt. Und wie jede große Beziehung wird es mit dem Lauf der Jahre besser und besser.

Also bleibt aufmerksam, bleibt nicht stehen.

Meine dritte Geschichte handelt vom Tod

Als ich 17 war, las ich ein Zitat, das ungefähr so klang: „Wenn Du jeden Tag so lebst, als wäre es Dein letzter, wirst Du höchstwahrscheinlich irgendwann recht haben.“

Es hatte mich tief beeindruckt und seit damals habe ich über 33 Jahre lang, jeden Morgen in den Spiegel geschaut und mich selbst gefragt: „Wenn heute der letzte Tag in meinem Leben wäre, würde ich dann das tun wollen, was ich mir heute vorgenommen habe?“

Und wann immer die Antwort für zu viele Tage hintereinander „nein“ war, wusste ich, ich muss etwas verändern.

Mich zu daran zu erinnern, dass ich bald tot sein werde, ist das wichtigste Werkzeug, das mir geholfen hat, die großen Entscheidungen in meinem Leben zu treffen.

Weil fast alles — alle äußeren Erwartungen, der ganze Stolz, die ganze Angst vor Peinlichkeit und Versagen – diese Dinge fallen einfach weg im Angesicht des Todes und es bleibt nur das übrig, was wirklich wichtig ist.

Sich zu erinnern, dass man sterben wird, ist der beste Weg, den ich kenne, um der Falle zu entgehen zu glauben, man hätte etwas zu verlieren. Du bist vollkommen nackt. Es gibt keinen Grund, nicht Deinen Herzen zu folgen.

Ungefähr vor einem Jahr wurde bei mir Krebs diagnostiziert. Ich hatte eine Untersuchung um 7:30 Uhr am Morgen und es war deutlich ein Tumor auf meiner Bauchspeicheldrüse zu sehen. Ich wusste nicht mal, was eine Bauchspeicheldrüse ist.

Mein Arzt riet mir nach Hause zu gehen und meine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, womit Ärzte meinen, man soll sich vorbereiten zu sterben. Es bedeutet zu versuchen, Deinen Kindern all das zu sagen, wovon Du dachtest, Du hättest die nächsten zehn Jahre Zeit — in nun mehr nur wenigen Monaten. Es bedeutet, dass alles geklärt sein soll, damit es später so leicht wie möglich für Deine Familie sein wird. Es bedeutet, Dich zu verabschieden.

Ich lebte mit dieser Diagnose den ganzen Tag. Später am Abend hatte ich eine Biopsie, wo sie mir ein Endoskop in den Hals gesteckt haben, durch meinen Magen in die Eingeweide, wo sie mit einer Nadel einige Zellen von dem Tumor entnommen haben.

Ich war betäubt, aber meine Frau, die dabei war, erzählte mir, dass, als sie sich die Zellen unter dem Mikroskop ansahen, die Ärzte zu weinen begannen, weil es sich herausstellte, dass dies eine sehr seltene Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs war, der mit einer Operation heilbar ist. Ich hatte die Operation und zum Glück, ich bin wieder gesund.

Das war meine engste Begegnung mit dem Tod und ich hoffe, das wird so bleiben für die nächsten Jahrzehnte. Das durchlebt zu haben, gibt mir die Möglichkeit, Euch mit mehr Gewissheit sagen zu können, dass der Tod ein nützliches aber rein geistiges Konzept ist: Niemand will sterben.

Selbst Menschen, die in den Himmel kommen wollen, wollen nicht sterben um dorthin zu gelangen. Und dennoch ist der Tod das Schicksal, das wir alle teilen. Niemand ist jemals entkommen.

Und das ist so, wie es sein sollte, denn der Tod ist sehr wahrscheinlich die beste Erfindung des Lebens.
Er ist der Anwalt für Veränderung im Leben.
Es räumt das Alte weg, um Platz zu machen für das Neue.
Gerade jetzt seid Ihr das Neue, aber eines Tages, nicht sehr weit von heute, werdet Ihr langsam zum Alten werden und weggeräumt werden. Tut mir leid, dass ich so drastisch bin — aber es ist einfach die Wahrheit.
Deine Zeit ist begrenzt, also verschwende Sie nicht damit, das Leben anderer zu leben. Lasse Dich nicht von Dogmen einfangen, welche ein Leben nach den Überlegungen anderer Leute bedeuten. Lass nicht den Lärm anderer Meinungen Deine eigene innere Stimme zum verstummen bringen.
Und das Allerwichtigste: Habe den Mut, Deinem eigenen Herzen und Deiner Intuition zu folgen. Irgendwie wissen sie bereits, was Du wirklich werden willst. Alles andere ist zweitrangig."

3 Kommentare:

  1. Hi,

    ein sehr guter Text! Danke.

    Besonders im letzten Teil ruft er ja dazu auf, sein Leben zu leben, seine Träume zu verwirklichen, gegen den Strom zu schwimmen. Ein sehr sympaischer Gedanke, jedoch frage ich mich, inwiewei das wirklich möglich ist, oder nicht doch durch die Gegebenheiten eingeschränkt wird. Inwieweit kann ich machen was ich will, wenn ich Verantwortung für andere habe? Kann ich dann wirklich so frei sein, meinen Job, mein Studium o.ä. zu schmeißen, von Pfand leben mit dem Gedanken, dass es irgendwann wieder besser wird? Oder bin ich nicht vielmehr in der Pflicht, durch meine Verantwortung anderen gegenüber zumindest den Job beizubehalten, oder einen anderen zu suchen, meine Träume maximal in der Freizeit zu verwirklichen, um meiner Verantwortung gerecht zu werden? Ich weiß, dass ich hier den naturalistischen Fehlschluss begehe. Ich mache das bewusst, denn mMn ist es kein Fehlschluss, sondern eine Tatsache. Ich bin Mutter, also kann ich nciht auf Gut Glück mein Studium schmeißen und ein Unternehmen aufbauen. Andere Pflegen ihre Eltern. Die können nicht auf Gut Glück alle Zete abbrechen und eine Weltreise machen, etc.
    Wie kann man also diese beiden Kontraste in Einklang bringen?

    Es ist natürlich klar, dass sowas immer individuell geschieht. Aber gibt es da eine Grundhaltung? Wie siehst Du das?

    Liebe Grüße

    Kathrin

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  2. Hi Kathrin,

    es ist immer schwierig zwischen Verantwortung und Träumen zu kooperieren.
    Aber auch Steve Jobs hatte/hat eine Familie.

    Generell würde ich sagen, brauchen viele Schritte im Leben Mut zum Risiko. Es muss ja nicht gleich eine Kündigung sein, wie bei Jobs. Aber man muss bereit sein, seine schützende Höhle zu verlassen.

    Unsere Eltern erziehen uns manchmal sehr ängstlich. Immerhin ist die Welt da draußen auch sehr grausam. Aber es bringt gar nichts, sich zu verkriechen und dann zu hoffen, dass alles an einem vorbei geht. Man muss einen Schritt nach draußen wagen, um über sich hinaus zu wachsen. Und genau das ist es, was einen Menschen erfolgreich macht.

    Aber dieser Mut sollte sich nicht als Fahrlässigkeit äußern. Dein Kind wird dich davor bewahren etwas mutiges, aber gutes von etwas dummen zu unterscheiden.

    Viele Grüße

    Samuel

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  3. Wunderbare Worte, Schade das am Ende der Krebs so schnell siegreich sein konnte und diesem starken und inspirierendem Geist nicht weiterhin die Chance gab der Welt zu sagen was wirklich wichtig ist und das manchmal der Schritt zurück oder die Reduktion auf das wesentlichen einen weiterbringt als jedes Streben nach mehr.

    R.I.P.

    Andreas

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