Mittwoch, 13. Juli 2011

Es geht ums Prinzip

Wenn Ehrlichkeit Spaß macht, wird sie zu einem Spiel, in dem man gewinnen möchte.

Die größte Schärfe des Denkens aber erfordern die Wissenschaften, die es am meisten mit den Prinzipien zu tun haben - Aristoteles


Ehrlichkeit lohnt sich nicht

Eines Tages kam meine Frau zu mir und konfrontierte mich mit einer Frage, die mich sehr ins Nachdenken brachte: Lohnt sich Ehrlichkeit? Lohnt es sich als Saubermann durch die Welt zu gehen oder haben die Prinzen Recht, wenn sie singen „Du musst ein Schwein sein, in dieser Welt“?

Schnell war eine Antwort gefunden: Nein! Ehrlichkeit lohnt sich nicht. Wenn ich stehle, betrüge oder sogar morde, werde ich zwar früher oder später mit größter Wahrscheinlichkeit Probleme bekommen. Aber wie sieht es mit den kleinen aus? Warum sollte ich nicht bei dem einen oder anderen Test ein wenig schummeln? Lohnen sich Notlügen wirklich nicht? Die Wahrscheinlichkeit hier erwischt zu werden ist wesentlich geringer. Außerdem hat wohl jeder von uns schon die Erfahrung gemacht, dass eine Notlüge vor weiteren Problemen bewahren kann, ohne dass andere aufkommen. Es scheint sich also doch zu lohnen, hin und wieder unehrlich zu sein. Besser einmal gelogen, als einen Freund verloren, oder?

Ehrlichkeit und Verantwortung

In einem Buch über Frühkindliche Entwicklung, das ich vor Kurzem gelesen habe, gab es auch ein Kapitel mit der Überschrift „die perfekten Eltern“. Dieses Kapitel war eine Zusammenfassung aller vorgestellten Erkenntnisse, die Kinder zu einer optimalen Entwicklung verhelfen. Die Quintessenz klang aber leicht ironisch. Denn die Anforderungen an perfekte Eltern sind so hoch, dass sie niemand je erfüllen könnte.

Die Autorin wies aber darauf hin, dass wir unseren Kindern nicht nur kognitive Entwicklung ermöglichen sollten, sondern in der Hauptsache ein Bild vermitteln: Werte - darüber was man im Leben tut und was nicht. Will ich meinen Kindern wirklich ein Vorbild sein, das zur Unehrlichkeit tendiert, wenn es sich lohnt?

Wer keine Kinder hat oder sich um die eigene Vorbildfunktion nicht schert, sollte sich ein anderes Beispiel vorhalten: War „Unehrlichkeit, wenn es sich lohnt“ nicht der Grund warum die Wirtschaftskriese erst möglich war? Hat nicht die Suche nach dem eigenen Gewinn auf Kosten anderer dahin geführt, dass Banken zusammenbrachen und Staaten ins Schwanken gerieten?

Ohne Regeln

Wenn wir nach einer einer guten Begründung suchen, ehrlich zu sein, dann suchen wir etwas, das nur in der Ehrlichkeit selbst zu finden ist. Der eigene Vorteil, ist keine Stütze für Ehrlichkeit. Aber auch das gute Vorbild (gegenüber den eigenen Kindern) oder die Angst vor schlimmen Folgen (wie bei der Wirtschaftskrise) sind kein Antrieb ehrlich zu sein.

Der Grund für Ehrlichkeit, muss in der Ehrlichkeit selbst liegen. Das klingt leichter gesagt, als getan. Ehrlichkeit muss Spaß machen. Es muss sich gut anfühlen, etwas „richtig“ zu machen. Wenn man ehrlich geblieben ist, muss man das Gefühl nach mehr haben.

Aber das klappt nicht mit Regeln. Regeln engen ein und geben den „Insassen“ das Gefühl, sie müssten sich befreien. Und wer auf Regeln pocht, wird schnell der Buhmann. Ich sehe die Lösung in Prinzipien. Ein Prinzip ist eine Lebensphilosophie, die hilft in einer Situation die richtige Entscheidung zu treffen, ohne eine Regel zu brauchen.

Prinzipien für das Leben

Mein Lieblingsprinzip ist (von Kant inspiriert):

- Lebe so, als wäre dein Gegenüber der Grund deiner Existenz
(ähnlich vielleicht dem: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst)


Dieses Prinzip ist deswegen mein liebstes, weil es alles auf den Kopf stellt. War vorher noch die Frage nach dem eigenen Vorteil im Vordergrund, geht es nun um den anderen. Natürlich muss man sich nicht dieses Prinzip vornehmen. Es gibt auch noch andere. Mein Vorschlag ist, sich auch auf die krassesten Prinzipien einzulassen und mit ihnen Schwanger zu gehen. Sie werden das Denken verändern.

Leben mit Prinzipien

Natürlich ist das Leben auch mit Prinzipien nicht immer goldig. Ja, ich gebe es zu, auch ich war enttäuscht, als kino.to vom Netz gegangen wurde. Doch ist kino.to nicht unmoralisch? Ist das nicht Diebstahl? Natürlich könnte man sich jetzt mit verschiedenen Argumenten herauswinden (und einige finde ich sehr gut).

Dennoch muss ich gestehen, dass das Ansehen von kino.to weder fair gegenüber der Filmindustrie, noch ehrlich gegenüber dem Gesetz ist, auch wenn es sich dabei um eine Grauzone handelte.
Doch fällt damit nicht das ganze schöne Kartenhaus des nach Prinzipien lebenden Samuel zusammen? Nun eines ist klar: Ich kann mich selbst schon einmal nicht als leuchtendes Beispiel des Lebens nach Prinzipien in die Waagschale werfen.

Doch ich bin ein Beispiel für folgendes: Wer denkt, dass Prinzipien Ehrlichkeit einfacher machen oder das Leben weniger kompliziert, der irrt. Wer denkt, das Prinzip den anderen zum Grund der eigenen Existenz zu machen, würde jede Selbstsucht beseitigen, der irrt. Wer denkt, dass es den Umgang mit allen Menschen erleichtert, der irrt.

Aber wer denkt, dass das Leben nach Prinzipien wie ein Spiel ist, in dem man mal verliert und mal gewinnt, hat Recht! Wer denkt, wenn man sich selbst gegenüber Güte zeigt, macht das Spiel sogar Spaß, hat Recht! Hier geht es nicht um richtig oder falsch, sondern um spaßigen Umgang mit der Ehrlichkeit. Denn wer Spaß dabei hat, hält länger durch.

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