Mittwoch, 27. Juli 2011

Wer viel verändert, leidet viel

Nur derjenige, der bereit ist alles Leid zu tragen, wird auch glücklich sein.

„Wirklich weise ist der, der mehr Träume in seiner Seele hat, als die Realität zerstören kann.“ - altes indianisches Sprichwort


Von Leid
Ich griff mal wieder zu einem Buch, das ich mir vor einiger Zeit gekauft hatte. Frieder Lauxmann philosophiert am Anfang des 21. Jh. über verschiedene Dinge. So auch über die großen Menschen der Geschichte, vorzugsweise Christen. Ich musste mit dem Autor zusammen feststellen, dass die Menschen, die am meisten bewegten, viel zu leiden hatten. Über Georg Müller habe ich schon einmal geschrieben, aber auch Ghandi und Mutter Theresa kann man hier nennen. Und sicherlich fällt es niemandem schwer noch mehr Persönlichkeiten zu finden, die Opfer erbracht haben, um etwas zu erreichen. (Das populärste Beispiel habe ich jetzt nicht genannt...)

Diese Menschen haben in all ihrem Leid Großes bewirkt. Sie haben zwar meistens nur einen kleinen Kreis von Menschen direkt erreicht und doch haben sie die Welt verändert. Ihre provokative Art zu leben und die Worte, die sie sagten waren zum Teil sehr polemisch und regten zum Denken an. Sie waren oft Praktiker und klagten das ein oder andere Mal frei heraus die Oberschicht an.

Eine Frage im Raum

Diese Menschen stellten mir eine Frage: Bist du bereit zu leiden und auch ohne Aussichten auf Erfolg für das Richtige einzustehen? 
Ja ich wollte für das Richtige einstehen und mit meiner Lebensweise und meinen Worten provozieren. Doch was das Leid angeht, bin ich mir nicht so sicher. Ich habe vor dem Tod nicht wirklich Angst, aber vor dem Weg dahin schon. Ehrlich gesagt, ich will nicht leiden.

Ich habe mal ein bisschen rumgefragt. So geht es vielen Menschen. Für das Richtige einstehen, Gerechtigkeit schaffen, Großes bewirken, wollen viele. Aber bitte nicht leiden wie vielleicht Jesus!?

Dann doch lieber wie Zorro. Der war auch erfolgreich, aber um nicht persönlich angreifbar zu sein, versteckt er sich hinter einer Maske. Das machen unsere Superhelden im Kino auch. Sie setzen sich für das Gute ein und versuchen mit der Maske ihr Privatleben zu schützen. Dabei sehen wir auch dort immer: das geht nicht. Niemand kann auf Dauer ein revolutionärer Abenteurer sein, der die Welt bewegt und gleichzeitig von allen gemocht wird.

Jeder von uns, der über sich selbst hinaus etwas in dieser Welt bewegen will, muss es wagen aus seinem Schneckenhaus und seiner Kuschelecke heraus zu kommen. Der Weg zu wirklichen Veränderungen, seien sie privat, in der Familie oder global muss auch durchlitten werden.

Sag mir, wofür?

Nicht jeder von uns ist ein geborener Weltverbesserer. Und das ist auch okay. Nicht jeder von uns muss in lustigen Anzügen durch die Gegend rennen und die Welt vor den Bösen dieser Welt retten. Nicht jeder von uns muss ein Volk befreien. Nicht jeder von uns muss sich für die Rechte einer Minderheit einsetzen.

Die meisten von uns haben ganz normale Träume: Karriere, Familie, Lebensstil.
Auch diese Dinge können sehr herausfordernd sein und viele Opfer abverlangen. Und wenn es so weit ist, dass die Kinder derart stressen, dass man sich als Mutter eingestehen muss, gerne das Leben zu wechseln; wenn die Karriere jeden Freiraum einnimmt und es außer endloser Arbeit nichts gibt; wenn der Lebensstil, die Religion, die Überzeugungen, nicht das geben, was sie sollten; wenn meine persönliche Entwicklung an meinen Mitmenschen zu scheitern droht; dann sollte man eine Frage schon lange für sich beantwortet haben: Bin ich bereit dafür zu leiden?

Diese Frage in einer Krisensituation zu stellen, mag helfen. Aber besser ist es, wir haben dann schon die Antwort und können entweder die Prioritäten ändern oder können motiviert durchhalten, weil wir ein Ziel vor Augen haben, für das wir uns so sehr entschieden haben, dass wir sogar dafür leiden werden.


Von Leid und Erfolg

Wer Familie hat, wird festgestellt haben, dass es Situationen gibt, in denen man sich wünscht lieber allein zu sein oder es Situationen gibt, in denen man sich trotz eines vollen Hauses allein fühlt.

Wer Freunde hat, wurde schon einmal enttäuscht und hat vielleicht auch eine Freundschaft beenden müssen.

Wer für seinen beruflichen Erfolg arbeitet, musste feststellen, dass man sich auch für Jahre abrackern kann, ohne Lohn oder Anerkennung dafür zu bekommen.

Trotz der negativen Erfahrungen in unserem Leben, trotz des Leides, hören viele von uns nicht auf. Sie kämpfen weiter und stellen fest, dass es sich lohnt. Für jeden von uns, gibt es einen Moment des Glücks in dem, was er sucht. In diesem Moment weiß man, dass es sich gelohnt hat.
Freundschaften mögen beendet worden sein, aber an der Freundschaft an sich wurde nie gezweifelt und man behielt Recht. Die Familie mag manchmal nerven, aber sie schenkt uns so viel Freude. Und die Beispiele setzen sich fort...

Genau so ist es auch mit anderen Zielen, die wir haben.
In letzter Zeit sind mir zwei Dinge ans Herz gewachsen: Das eine betrifft viele meiner Mitmenschen. Ein Ehepaar aus meinem Bekanntenkreis trennt die Wohnung. An dieser Stelle will ich mit einem Megafon rufen, dass dieser Weg durchlitten werden kann, aber nicht auseinander gehen muss. Auch ich kenne die Realität und muss einsehen, dass sich die Wege von Menschen auch trennen. Aber ich will daran glauben, dass es niemals der einzige Weg ist.

Das führt mich zur zweiten Sache: Es kommt in regelmäßigen Abständen vor, dass ich mich, meine Überzeugungen oder mein Leben in Frage stelle. Auch diese Wege müssen durchlitten werden. Natürlich ändert sich dadurch auch einiges in meinem Leben. Aber eines ändert sich nicht: Ich gebe niemals auf. Mein Ziel steht!

Donnerstag, 21. Juli 2011

Ich, Du und der andere

Gene sind nur Ausrede.

"Besser spät als nie. Dafür aber mehr." - Samuel Schmidt
(Vielleicht hab ihr gemerkt, dass ich gestern keinen Post eingestellt habe.)


Als wir klein waren

Als wir klein waren, haben wir alle die verschiedensten Spiele gespielt. Und ein wohl sehr beliebtes Kinderspiel ist Vater, Mutter, Kind. Andere Kinder haben die Vater-Mutter-Kind von Puppen übernehmen lassen. Diese Spiele sind sehr wichtig, für die Entwicklung der Kinder, weil schon einmal ausprobiert wird, wie es ist Erwachsener zu sein. Und dabei werden nicht selten die eigenen Eltern nachgemacht. Das Nachmachen der Eltern ist die erste und grundlegende Art und Weise, etwas zu lernen.

Wenn die Kinder größer werden, werden die Eltern nicht mehr so wichtig. Aber nachgemacht wird trotzdem. Dann sind es eben die Freunde, die als Vorbilder dienen. Kaum ein Jugendlicher probiert eine Zigarette, aus einem anderen Grund als dem, dass die Freunde es auch tun.
Auch wenn wir groß sind, machen wir nach. Wir können gar nicht anders, als andere Menschen nachmachen. Unser Hirn lernt zu einem großen Teil durch das einfache Nachmachen. Aber wen machen wir als Erwachsene nach? Z.B. unseren Partner, Arbeitskollegen, die erfolgreich aussehen, Freunde usw.

Nachmachen bitte, aber das richtige!

Durch das Nachmachen, werden Verhaltensmuster trainiert. Wir üben uns in Verhaltensweise und Gewohnheiten ein. Die Vorbilder, die wir haben, werden dabei meistens unbewusst ausgewählt. Das hat etwas mit Attraktivität, sozialen Gruppen und eigenen Interessen zu tun. Dabei kann es sehr leicht passieren, dass auch Verhaltensweisen kopiert werden, die ziemlich blöd sind. Rauchen zum Beispiel.

Aber man muss ja nicht alles schwarz sehen. Das Nachmachen von Menschen, die irgendetwas haben oder sind, das wir auch gern hätten oder wären, ist ja keine schlechte Idee. Mus muss sie sich nur aussuchen. Das ist ganz leicht. Das einzige, was man dazu braucht ist ein waches Auge und ein bisschen Fantasie und Lockerheit. Schauspielkunst braucht man nicht unbedingt. Aber es ist wichtig, dass man unbefangen in der Gegenwart anderer etwas „spielen“ kann.

Ein Freund von mir fand den Piraten Jack Sparrow aus Fluch der Karibik total toll und wünschte sich ebenso abenteuerlustig, entspannt, gewitzt und cool zu sein. Also fing er an sich zu bewegen wir Jack Sparrow und ging in einer Mischung zwischen betrunkenem torkeln und femininen stolzieren durch die Gegend. - So bitte nicht! Der Ansatz ist ganz gut. Die Körperhaltung vermittelt auch ein Gefühl. Wer sich bewegt wie Jack Sparrow, kann sich auch fühlen wie Jack Sparrow. Das ist schon richtig. Aber es ist die Wahl von Jack Sparrow als Vorbild, mit der ich nicht einverstanden bin.

Ich und der andere

Aber wen sollte man denn zum Vorbild nehmen? Ich würde sagen, dass ist tatsächlich frei gestellt. Jeder von uns hat Wünsche und Träume von einem zufriedenen Leben. Und wenn diese Wünsche und Träume von Verwegenheit, Freiheit und Abenteuerlust verkörpert werden, ist Jack Sparrow vielleicht die richtige Wahl. Doch bevor man tatsächlich nachmacht, sollte man sich überlegen, ob diese Charaktermerkmale bei dem Menschen in unserer Umgebung tatsächlich auch als solche wahrgenommen werden. Es ist zwar nur ein „Spiel“, aber es sollte nicht unbedingt lächerlich werden.

Wenn man jetzt eine Person gefunden hat, die genau das verkörpert, das ich gerne hätte oder wäre, was muss ich dann tun? Nun ja, hinsehen. Das erste was man sehen kann, ist der Gesichtsausdruck. Wie blickt dieser Mensch drein? Lächelt sie immer, kuckt sie ernst? Was macht ihren Gesichtsausdruck so kompetent? Auch die Körperhaltung. Steht die Person gerade? Steht sie krumm? Steht sie mit beiden Beinen fest auf dem Boden oder nur auf einem Bein? Hände in den Taschen? usw. Dann können Gesten nachgemacht werden. Die Bewegung beim Lachen, Sprechen, Laufen, Reden, Autofahren usw. All das hat den Sinn ein Gefühl des eigenen Selbstwertes zu erzeugen, das bei einem anderen gefällt. Und das zu spielen jemand anderes zu sein, ist dafür völlig okay und sehr gut geeignet.

Aber verliere ich dabei nicht mich selbst? Sollte ich nicht so sein, wie ich bin? Eine Sache, die man sich dabei immer wieder vorhalten muss, ist, man wird sich zwar verändern, aber man wird immer man selbst sein. Niemand wird durch diese Spiele zu James Bond, Harald Schmidt oder Barack Obama. Natürlich gibt es Menschen, die in einer solchen Rolle total aufgehen und sich dahinter verstecken. Aber das soll ja nicht das Ziel sein. Das Ziel ist, sich selbst weiterzuentwickeln und nicht jemand anderes zu werden.

Prinzen

Weil ich Christ bin, erwartet man von mir, dass ich jetzt natürlich Jesus als bestes Vorbild vorschlage. Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich das gar nicht kann. Es fällt mir sehr schwer Jesus zu kopieren, weil ich nicht weiß, wie er sich bewegt oder verhalten hat. Ich weiß nur was er gesagt und vertreten hat.

Aber bei einer Sache hat er mir doch geholfen: Ich wollte immer ein Prinz sein. Prinzen sind nicht wichtig genug, um die Staatsgeschäfte übernehmen zu müssen, haben aber Würde, Freiheit und viele materielle Dinge, um Träume zu verwirklichen. Natürlich kann ich jetzt Prinz spielen. Aber ich weiß, dass ich eigentlich keiner bin. Und das mag mit anderen Rollen ebenso sein. Man kann Geheimagent, Bundespräsident oder Anwalt spielen, aber man weiß, dass man keiner ist. Gut, diese drei Berufe kann man ergreifen. Aber Prinz kann man nicht werden. Es sei denn man heiratet eine Prinzessin. Jesus hat mir dabei geholfen mein Selbst zu bestätigen. Die Würde eines Prinzen kommt daher, dass er weiß, er ist etwas besonderes. Diesen Selbstwert habe ich in Gott gefunden. Diese Grundlage hat es mir ermöglicht das eine oder andere Mal, Prinz zu spielen: Gentleman sein, Würde ausstrahlen, von großer Freiheit träumen, usw. So kam alles zusammen.

Damit will ich nicht sagen, dass Jesus kein gutes Vorbild wäre. Er ist ein gutes. Doch er ist ein schwieriges. Man braucht eine ganze Menge Fantasie, um sich vorzustellen wie Jesus gehandelt hätte, in einer Situation wie meiner, wie er sich fühlte, wie er sich bewegt hätte usw. Aber wer will, kann sich gerne an ihm probieren.

Ein Zusatzbeispiel für Christen

Ich habe mal einen Mann kennen gelernt, der tatsächlich sein wollte wie Jesus. Er ließ sich lange Haare wachsen, trug einen Bart und hatte sogar Leinenkleidung an. Zwar nicht so ein Hängekleid, wie man es in den Kirchenfenstern sieht, sondern ganz normal geschnitten, aber der Stoff war gleich. Ich kam ins Gespräch mit ihm und habe ihn gefragt, warum er das trüge. Er erzählte, dass er davon überzeugt war, dass man als Christ Jesus immer ähnlicher werden sollte; auch äußerlich.

Das war zwar nicht nach meinem Geschmack, aber es ist genau das, was ich oben auch beschrieben habe. Dieser Mann hat ganz „gespielt“ Jesus zu sein und dadurch versucht sein Leben zu verändern. Ich habe mich oft gefragt, was er wohl getan hätte, wenn er als Frau zur Welt gekommen wäre. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Mittwoch, 13. Juli 2011

Es geht ums Prinzip

Wenn Ehrlichkeit Spaß macht, wird sie zu einem Spiel, in dem man gewinnen möchte.

Die größte Schärfe des Denkens aber erfordern die Wissenschaften, die es am meisten mit den Prinzipien zu tun haben - Aristoteles


Ehrlichkeit lohnt sich nicht

Eines Tages kam meine Frau zu mir und konfrontierte mich mit einer Frage, die mich sehr ins Nachdenken brachte: Lohnt sich Ehrlichkeit? Lohnt es sich als Saubermann durch die Welt zu gehen oder haben die Prinzen Recht, wenn sie singen „Du musst ein Schwein sein, in dieser Welt“?

Schnell war eine Antwort gefunden: Nein! Ehrlichkeit lohnt sich nicht. Wenn ich stehle, betrüge oder sogar morde, werde ich zwar früher oder später mit größter Wahrscheinlichkeit Probleme bekommen. Aber wie sieht es mit den kleinen aus? Warum sollte ich nicht bei dem einen oder anderen Test ein wenig schummeln? Lohnen sich Notlügen wirklich nicht? Die Wahrscheinlichkeit hier erwischt zu werden ist wesentlich geringer. Außerdem hat wohl jeder von uns schon die Erfahrung gemacht, dass eine Notlüge vor weiteren Problemen bewahren kann, ohne dass andere aufkommen. Es scheint sich also doch zu lohnen, hin und wieder unehrlich zu sein. Besser einmal gelogen, als einen Freund verloren, oder?

Ehrlichkeit und Verantwortung

In einem Buch über Frühkindliche Entwicklung, das ich vor Kurzem gelesen habe, gab es auch ein Kapitel mit der Überschrift „die perfekten Eltern“. Dieses Kapitel war eine Zusammenfassung aller vorgestellten Erkenntnisse, die Kinder zu einer optimalen Entwicklung verhelfen. Die Quintessenz klang aber leicht ironisch. Denn die Anforderungen an perfekte Eltern sind so hoch, dass sie niemand je erfüllen könnte.

Die Autorin wies aber darauf hin, dass wir unseren Kindern nicht nur kognitive Entwicklung ermöglichen sollten, sondern in der Hauptsache ein Bild vermitteln: Werte - darüber was man im Leben tut und was nicht. Will ich meinen Kindern wirklich ein Vorbild sein, das zur Unehrlichkeit tendiert, wenn es sich lohnt?

Wer keine Kinder hat oder sich um die eigene Vorbildfunktion nicht schert, sollte sich ein anderes Beispiel vorhalten: War „Unehrlichkeit, wenn es sich lohnt“ nicht der Grund warum die Wirtschaftskriese erst möglich war? Hat nicht die Suche nach dem eigenen Gewinn auf Kosten anderer dahin geführt, dass Banken zusammenbrachen und Staaten ins Schwanken gerieten?

Ohne Regeln

Wenn wir nach einer einer guten Begründung suchen, ehrlich zu sein, dann suchen wir etwas, das nur in der Ehrlichkeit selbst zu finden ist. Der eigene Vorteil, ist keine Stütze für Ehrlichkeit. Aber auch das gute Vorbild (gegenüber den eigenen Kindern) oder die Angst vor schlimmen Folgen (wie bei der Wirtschaftskrise) sind kein Antrieb ehrlich zu sein.

Der Grund für Ehrlichkeit, muss in der Ehrlichkeit selbst liegen. Das klingt leichter gesagt, als getan. Ehrlichkeit muss Spaß machen. Es muss sich gut anfühlen, etwas „richtig“ zu machen. Wenn man ehrlich geblieben ist, muss man das Gefühl nach mehr haben.

Aber das klappt nicht mit Regeln. Regeln engen ein und geben den „Insassen“ das Gefühl, sie müssten sich befreien. Und wer auf Regeln pocht, wird schnell der Buhmann. Ich sehe die Lösung in Prinzipien. Ein Prinzip ist eine Lebensphilosophie, die hilft in einer Situation die richtige Entscheidung zu treffen, ohne eine Regel zu brauchen.

Prinzipien für das Leben

Mein Lieblingsprinzip ist (von Kant inspiriert):

- Lebe so, als wäre dein Gegenüber der Grund deiner Existenz
(ähnlich vielleicht dem: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst)


Dieses Prinzip ist deswegen mein liebstes, weil es alles auf den Kopf stellt. War vorher noch die Frage nach dem eigenen Vorteil im Vordergrund, geht es nun um den anderen. Natürlich muss man sich nicht dieses Prinzip vornehmen. Es gibt auch noch andere. Mein Vorschlag ist, sich auch auf die krassesten Prinzipien einzulassen und mit ihnen Schwanger zu gehen. Sie werden das Denken verändern.

Leben mit Prinzipien

Natürlich ist das Leben auch mit Prinzipien nicht immer goldig. Ja, ich gebe es zu, auch ich war enttäuscht, als kino.to vom Netz gegangen wurde. Doch ist kino.to nicht unmoralisch? Ist das nicht Diebstahl? Natürlich könnte man sich jetzt mit verschiedenen Argumenten herauswinden (und einige finde ich sehr gut).

Dennoch muss ich gestehen, dass das Ansehen von kino.to weder fair gegenüber der Filmindustrie, noch ehrlich gegenüber dem Gesetz ist, auch wenn es sich dabei um eine Grauzone handelte.
Doch fällt damit nicht das ganze schöne Kartenhaus des nach Prinzipien lebenden Samuel zusammen? Nun eines ist klar: Ich kann mich selbst schon einmal nicht als leuchtendes Beispiel des Lebens nach Prinzipien in die Waagschale werfen.

Doch ich bin ein Beispiel für folgendes: Wer denkt, dass Prinzipien Ehrlichkeit einfacher machen oder das Leben weniger kompliziert, der irrt. Wer denkt, das Prinzip den anderen zum Grund der eigenen Existenz zu machen, würde jede Selbstsucht beseitigen, der irrt. Wer denkt, dass es den Umgang mit allen Menschen erleichtert, der irrt.

Aber wer denkt, dass das Leben nach Prinzipien wie ein Spiel ist, in dem man mal verliert und mal gewinnt, hat Recht! Wer denkt, wenn man sich selbst gegenüber Güte zeigt, macht das Spiel sogar Spaß, hat Recht! Hier geht es nicht um richtig oder falsch, sondern um spaßigen Umgang mit der Ehrlichkeit. Denn wer Spaß dabei hat, hält länger durch.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Sonderthema: Steve Jobs' 2005 Stanford Commencement Address

Diese Rede von Steve Jobs hat mich sehr beeindruckt und sie passt genau in das Thema dieses Blogs.
Wer Englisch kann, sollte sich die 15 Minuten des Videos mal ansehen.


Hier der Link zum Video: Steve Jobs' 2005 Stanford Commencement Address

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Für alle, die kein Englisch können: Eine Übersetzung des Transcripts gibt es gleich hier.
(Vielen Dank an Roland Kopp-Wichmann)

"Ich fühle mich geehrt, heute mit Euch hier zu sein, bei Eurer Abschlussfeier an einer der besten Universitäten der Welt. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe nie einen Hochschulabschluss gemacht und gerade bin ich näher an einem Hochschulabschluss als je zuvor.

Heute will ich Euch drei Geschichten aus meinem Leben erzählen. Das ist alles. Keine große Sache. Nur drei Geschichten.

Die erste Geschichte handelt vom Verbinden der Punkte.

Ich ging nach sechs Monaten vom Reed College ab, blieb dort aber für etwa achtzehn weitere Monate als Gast, bevor ich wirklich ganz gegangen bin. Aber, warum bin ich ausgeschieden?

Es begann noch bevor ich geboren wurde. Meine leibliche Mutter war eine junge, unverheiratete Universitätsabsolventin und sie entschied sich, mich zur Adoption frei zu geben. Sie war sehr davon überzeugt, dass ich von Leuten mit einem Universitätsabschluss adoptiert werden sollte.

So wurde alles dafür arrangiert, dass ich bei der Geburt von einem Anwalt und seiner Frau adoptiert werden würde. Doch genau als ich auf die Welt kam, entschieden sie sich in letzter Minute, dass sie lieber ein Mädchen hätten. So wurden meine Eltern, die auf der Warteliste standen, mitten in der Nacht angerufen und gefragt: „Wir haben hier eine unerwartete Geburt eines Jungen. Wollen sie ihn?“ Sie sagten: „Natürlich.“

Meine leibliche Mutter fand später heraus, dass meine Mutter nie eine Universität absolviert und mein Vater nie die High-School abgeschlossen hatte. Sie weigerte sich, die Adaptionspapiere zu unterschreiben und war erst einige Monate später damit einverstanden, als meine Eltern versprochen hatten, dass ich irgendwann zur Universität gehen würde.

Das war der Beginn meines Lebens.

Und so ging ich 17 Jahre später auf die Hochschule. Aber naiv, wie ich war, habe ich ein College ausgesucht, das fast so teuer war wie Stanford und alle Ersparnisse meiner Eltern aus der Arbeiterklasse wurden für meine Universitätsgebühren ausgegeben. Nach sechs Monaten konnte ich den Wert darin nicht mehr sehen.

Ich hatte keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen wollte und keine Ahnung wie die Universität mich darin unterstützen würde, dieses herauszufinden. Und hier stand ich nun und hatte das ganze Geld ausgegeben, dass meine Eltern in ihren Leben gespart hatten.

So entschied ich mich die Schule zu verlassen und darauf zu vertrauen, dass alles gut gehen würde. Das war ziemlich beängstigend damals, aber zurückblickend war es eine der besten Entscheidungen, die ich je gemacht habe. Von der Minute, als ich ausschied, konnte ich aufhören, die Pflichtkurse zu besuchen, die mich nicht interessierten und mit denen zu beginnen, die mir interessant erschienen.

Es war nicht alles Sonnenschein. Ich hatte keinen Schlafraum und so schlief ich auf dem Boden im Zimmer eines Freundes. Ich gab Colaflaschen für fünf Cent Pfand ab, um mir Essen zu kaufen und ich ging jede Sonntagnacht die sieben Meilen durch die Stadt für eine gute Mahlzeit in der Woche am Hare Krishna Temple.

Ich liebte es. Und vieles von dem, in das ich hinein stolperte, indem ich meiner Neugier und meiner Intuition folge, zeigte sich später als unbezahlbar.

Ein Beispiel.
Das Reed College bot zu jener Zeit eine der besten Kalligraphie-Kurse im Land an. Quer durch den Campus war jedes Poster, jedes Schild wunderschön von Hand mit kalligraphischer Schrift versehen. Weil ich ausgeschieden war und keine regulären Kurse besuchen musste, entschied ich mich für einen Kalligraphie-Kurs, um zu lernen, wie man das macht.

Ich lernte alles über Serifen– und San Serifen-Schriftarten, über den unterschiedlichen Abstand zwischen den verschiedenen Kombinationen von Buchstaben; eben über all das, was großartige Typografie großartig macht. Es war wunderschön, geschichtlich, künstlerisch ausgetüftelt, in einer Art und Weise, wie sie Wissenschaft nicht einfangen kann und ich fand es faszinierend.

Nichts von alle dem hatte auch nur den Hoffnungsschimmer einer praktischen Anwendung in meinem Leben. Aber zehn Jahre später, als wir den ersten Macintosh-Computer entworfen haben, kam das alles zu mir zurück.

Und wir bauten alles in den Mac ein. Es war der erste Computer mit wunderschöner Typografie. Wenn ich niemals diesen Kurs im College besucht hätte, hätte der Mac niemals verschiedene Schriftarten oder Proportionalschrift gehabt. Und da Windows einfach den Mac kopierte, ist es wahrscheinlich, dass kein PC sie bekommen hätte. Wäre ich niemals ausgeschieden, wäre ich niemals in diesen Kalligraphie-Kurs gegangen und PC’s würden nicht die wunderschönen Schriftarten haben, die sie haben.

Natürlich war es nicht möglich, in die Zukunft blickend diese Punkte miteinander zu verbinden, während ich noch an der Universität war. Aber es war sehr sehr klar, als ich zehn Jahre später zurückblickte.

Du kannst die Punkte nicht verbinden, wenn Du nach vorne blickst. Du kannst die Punkte nur verbinden, wenn Du zurück blickst. So musst Du daran glauben, dass sich die Punkte irgendwie in der Zukunft verbinden werden.

Du musst an etwas glauben – Deinen Bauch, Schicksal, Leben, Karma oder was auch immer. Denn daran zu glauben, dass am Ende sich die Punkte verbinden werden, gibt Dir die Zuversicht Deinem Herzen zu folgen. Auch wenn es Dich vom wohl ausgetretenen Pfad wegführt – und das macht den ganzen Unterschied.

Meine zweite Geschichte ist über Liebe und Verlust

Ich hatte Glück. Ich fand ziemlich früh im Leben, was ich geliebt habe. Woz und ich starten Apple in der Garage meiner Eltern als ich 20 war. Wir arbeiteten hart und in zehn Jahren wuchs Apple von uns beiden in der Garage zu einem zwei Milliarden Dollar Unternehmen mit mehr als 4000 Mitarbeitern heran.

Wir hatten gerade unser bestes Produkt geschaffen, den Macintosh, ein Jahr bevor ich 30 wurde. Und, dann wurde ich gefeuert. Wie kann jemand gefeuert werden, von dem Unternehmen, das er gegründet hatte?

Nun, als Apple wuchs, stellten wir jemanden ein, von dem ich glaubte, er wäre sehr talentiert darin, das Unternehmen mit mir zu führen. Für das erste Jahr liefen die Dinge gut. Aber als unsere Visionen für die Zukunft begannen sich zu unterscheiden, kam es zu einer Auseinandersetzung.

Während wir diese hatten, war die Chefetage auf seiner Seite. Und so war ich mit 30 draußen. Und sogar ziemlich öffentlich raus geworfen. Das, was mein einziges Ziel meines erwachsenen Lebens war, war nun vorbei und verwüstet.

Ich war ein ziemlich öffentlicher Versager und ich überlegte sogar aus der Gegend weg zu ziehen. Aber etwas begann langsam in mir zu dämmern — ich liebte immer noch, das was ich tat. Der Verlauf mit Apple hatte das kein bisschen verändert. Ich war gefeuert aber meine Leidenschaft war immer noch da. Und so entschied ich mich von Neuem zu beginnen.

Ich hatte es damals nicht gesehen, aber es stellte sich heraus, dass von Apple gefeuert zu werden, war das Beste, was mir je passieren konnte.

Der Druck erfolgreich zu sein, war ersetzt worden, von der Leichtigkeit wieder ein Anfänger zu sein, weniger sicher in allem.

Es befreite mich, um eine der kreativsten Phasen in meinem Leben zu beginnen. Während der nächsten fünf Jahre startete ich eine Firma namens NeXT, eine andere Firma namens Pixar und verliebte mich in eine wundervolle Frau, die meine Frau werden wollte.

Pixar entwickelte den ersten computeranimierten Film der Welt, Toy Story, und ist jetzt das erfolgreichste Animationsstudio der Welt. In einer bemerkenswerten Wendung der Dinge, kaufte Apple NeXT und ich war zurück bei Apple und die Technologie, die wir bei NeXT entwickelt haben, ist nun das Herz von Apples gegenwärtiger Renaissance. Und Laurene und ich haben eine wundervolle Familie zusammen.

Ich bin mir ziemlich sicher, nichts von dem wäre jemals geschehen, wenn ich nicht bei Apple gefeuert worden wäre. Es war bitter schmeckende Medizin, aber ich schätze, der Patient brauchte sie.

Manchmal trifft Dich das Leben mit einem Ziegelstein auf den Kopf. Verliere nicht Deinen Glauben.

Ich bin überzeugt, dass das einzige, was mich weitermachen ließ, war, dass ich geliebt habe, was ich tat. Ihr müsst finden, was ihr liebt. Und das ist genauso wahr in Bezug auf Eure Arbeit als auch für Eure Liebespartner.

Eure Arbeit wird einen großen Teil Eures Lebens ausfüllen und der einzige Weg, wirklich erfüllt zu sein, ist das zu tun, wovon Ihr glaubt, dass es eine großartige Arbeit sei. Und der einzige Weg, großartige Arbeit zu tun, ist zu lieben, was ihr tut.

Wenn Ihr es bis jetzt nicht gefunden habt, sucht weiter und bleibt nicht stehen. Und wie es mit allen Herzensangelegenheiten ist, Ihr werdet es wissen, wenn Ihr es gefunden habt. Und wie jede große Beziehung wird es mit dem Lauf der Jahre besser und besser.

Also bleibt aufmerksam, bleibt nicht stehen.

Meine dritte Geschichte handelt vom Tod

Als ich 17 war, las ich ein Zitat, das ungefähr so klang: „Wenn Du jeden Tag so lebst, als wäre es Dein letzter, wirst Du höchstwahrscheinlich irgendwann recht haben.“

Es hatte mich tief beeindruckt und seit damals habe ich über 33 Jahre lang, jeden Morgen in den Spiegel geschaut und mich selbst gefragt: „Wenn heute der letzte Tag in meinem Leben wäre, würde ich dann das tun wollen, was ich mir heute vorgenommen habe?“

Und wann immer die Antwort für zu viele Tage hintereinander „nein“ war, wusste ich, ich muss etwas verändern.

Mich zu daran zu erinnern, dass ich bald tot sein werde, ist das wichtigste Werkzeug, das mir geholfen hat, die großen Entscheidungen in meinem Leben zu treffen.

Weil fast alles — alle äußeren Erwartungen, der ganze Stolz, die ganze Angst vor Peinlichkeit und Versagen – diese Dinge fallen einfach weg im Angesicht des Todes und es bleibt nur das übrig, was wirklich wichtig ist.

Sich zu erinnern, dass man sterben wird, ist der beste Weg, den ich kenne, um der Falle zu entgehen zu glauben, man hätte etwas zu verlieren. Du bist vollkommen nackt. Es gibt keinen Grund, nicht Deinen Herzen zu folgen.

Ungefähr vor einem Jahr wurde bei mir Krebs diagnostiziert. Ich hatte eine Untersuchung um 7:30 Uhr am Morgen und es war deutlich ein Tumor auf meiner Bauchspeicheldrüse zu sehen. Ich wusste nicht mal, was eine Bauchspeicheldrüse ist.

Mein Arzt riet mir nach Hause zu gehen und meine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, womit Ärzte meinen, man soll sich vorbereiten zu sterben. Es bedeutet zu versuchen, Deinen Kindern all das zu sagen, wovon Du dachtest, Du hättest die nächsten zehn Jahre Zeit — in nun mehr nur wenigen Monaten. Es bedeutet, dass alles geklärt sein soll, damit es später so leicht wie möglich für Deine Familie sein wird. Es bedeutet, Dich zu verabschieden.

Ich lebte mit dieser Diagnose den ganzen Tag. Später am Abend hatte ich eine Biopsie, wo sie mir ein Endoskop in den Hals gesteckt haben, durch meinen Magen in die Eingeweide, wo sie mit einer Nadel einige Zellen von dem Tumor entnommen haben.

Ich war betäubt, aber meine Frau, die dabei war, erzählte mir, dass, als sie sich die Zellen unter dem Mikroskop ansahen, die Ärzte zu weinen begannen, weil es sich herausstellte, dass dies eine sehr seltene Form von Bauchspeicheldrüsenkrebs war, der mit einer Operation heilbar ist. Ich hatte die Operation und zum Glück, ich bin wieder gesund.

Das war meine engste Begegnung mit dem Tod und ich hoffe, das wird so bleiben für die nächsten Jahrzehnte. Das durchlebt zu haben, gibt mir die Möglichkeit, Euch mit mehr Gewissheit sagen zu können, dass der Tod ein nützliches aber rein geistiges Konzept ist: Niemand will sterben.

Selbst Menschen, die in den Himmel kommen wollen, wollen nicht sterben um dorthin zu gelangen. Und dennoch ist der Tod das Schicksal, das wir alle teilen. Niemand ist jemals entkommen.

Und das ist so, wie es sein sollte, denn der Tod ist sehr wahrscheinlich die beste Erfindung des Lebens.
Er ist der Anwalt für Veränderung im Leben.
Es räumt das Alte weg, um Platz zu machen für das Neue.
Gerade jetzt seid Ihr das Neue, aber eines Tages, nicht sehr weit von heute, werdet Ihr langsam zum Alten werden und weggeräumt werden. Tut mir leid, dass ich so drastisch bin — aber es ist einfach die Wahrheit.
Deine Zeit ist begrenzt, also verschwende Sie nicht damit, das Leben anderer zu leben. Lasse Dich nicht von Dogmen einfangen, welche ein Leben nach den Überlegungen anderer Leute bedeuten. Lass nicht den Lärm anderer Meinungen Deine eigene innere Stimme zum verstummen bringen.
Und das Allerwichtigste: Habe den Mut, Deinem eigenen Herzen und Deiner Intuition zu folgen. Irgendwie wissen sie bereits, was Du wirklich werden willst. Alles andere ist zweitrangig."